Sexuelle Übergriffe: Massnahmen zeigen Wirkung

Die 321. ordentliche Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) fand vom 3.-5. September im bischöflichen Ordinariat von St. Gallen statt.

Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld

Statistik 2010-2017

Die SBK hat die Statistik 2010-2017 der bei den diözesanen Fachstellen eingegangenen Meldungen zu sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld zur Kenntnis genommen. Die Meldungen fanden zwischen 2010-2017 statt, die darin gemeldeten Übergriffe erfolgten aber über eine weit grössere Zeitspanne, nämlich zwischen «vor 1961» und 2017. Die Statistik zeigt im Jahr 2017 eine markante Zunahme von erfolgten Meldungen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich folgendes differenziertes Bild:

Die Buss- und Gebetsfeier der SBK im Dezember 2016 in der Basilika von Valeria in Sitten hat eine grosse Wirkung gehabt und eine beachtliche Zahl von Opfern ermutigt, welche sich bis anhin nicht gemeldet hatten.

Nachdem im Jahre 2017 in der Öffentlichkeit nach und nach wahrgenommen wurde, dass ein Genugtuungsfonds für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen besteht und operativ geworden ist, haben sich auch zahlreiche Opfer entsprechend gemeldet.

Die Thematik der sexuellen Übergriffe im kirchlichen Umfeld war im Jahre 2017 immer wieder in den Medien präsent. Im Gegensatz zu früheren Jahren wurde dabei auch vermehrt darüber berichtet, was die katholische Kirche in der Schweiz vor allem seit 2010 getan hat und noch immer tut, um Licht in dieses dunkle Kapitel zu bringen und um neuen Übergriffsfällen vorzubeugen. Es darf angenommen werden, dass sich einige Opfer dadurch zu einer Meldung motiviert sahen.

Die Kommunikationsstelle der SBK, das Fachgremium der SBK und die diözesanen Fachgremien haben sich mit aktiver Medienarbeit, mit Faltblättern, über ihre Webseiten etc. eingesetzt, um ihre Tätigkeit einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Alle Diözesen haben Schritte unternommen, um die Opfer zu einer Meldung zu ermutigen.

Vor diesem Hintergrund darf die hohe Anzahl an neuen Meldungen als positiv eingestuft werden: die nähere Betrachtung zeigt, dass die Anstrengungen der katholischen Kirche in der Schweiz, die Opfer zu erreichen und zu ermutigen, allmählich greifen; sie weist zudem darauf hin, dass die diözesanen Fachgremien und die Kommission Genugtuung wirksam arbeiten.

In der Romandie hat die Tätigkeit der CECAR die Anliegen von Opfern sexueller Übergriffe zusätzlich ins öffentliche Bewusstsein gerufen. Es muss hier präzisiert werden, dass – da die CECAR keine kirchliche Einrichtung ist – die Fälle, welche sich bei ihr melden und von ihr behandelt werden, nicht in dieser Statistik erfasst wurden. Zudem ist auch zu beachten, dass die CECAR ausschliesslich für verjährte Fälle zuständig ist und im Hinblick auf einen Genugtuungsbeitrag agiert.

Einmal mehr bestätigt sich, dass die grösste Zahl der gemeldeten Ereignisse 30 Jahre oder länger zurückliegt. Von den 65 gemeldeten Übergriffen fanden 56 vor dem Jahre 1990 statt. Die Statistik zeigt, dass die seit 2002 getroffenen Massnahmen Wirkung zeigen.

Zu den sieben gemeldeten Übergriffen, welche zwischen 1991 und Ende 2017 stattgefunden haben, lässt sich Folgendes sagen: in zwei Fällen lag kein sexueller Übergriff vor; drei Übergriffe richteten sich gegen erwachsene Frauen in einem Abhängigkeitsverhältnis; in einem Fall geht es um ein Verhältnis zwischen einem älteren Priester und einem 17-jährigen Mann; schliesslich gibt es noch einen Fall zu Beginn der 1990er Jahre, bei dem es sich um Berührungen und Ähnliches eines Priesters gegenüber einem 7 bis 10-jährigen Mädchen handelt, der von den zivilen Behörden wegen Verjährung eingestellt wurde.

Es ist zu berücksichtigen, dass einzelne Opfer Übergriffe seitens mehrerer Täter erlitten haben. Ein Opfer wurde zu verschiedenen Zeitpunkten von verschiedenen Tätern missbraucht. Dies erklärt, dass die Gesamtzahlen von Opfern, Tätern und Übergriffen nicht genau übereinstimmen.

Die SBK fordert erneut Opfer auf, sich an ein diözesanes Fachgremium oder an kantonale Opferhilfestellen zu wenden.

Verschärfung der Anzeigepflicht bei Offizialdelikten gegenüber einer erwachsenen Person

Die „Richtlinien der Schweizer Bischofskonferenz und der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz zu sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld“ sahen bis anhin vor, dass das erwachsene Opfer einerseits in jedem Fall auf die Möglichkeit einer Strafanzeige nach staatlichen Recht hinzuweisen war und es anderseits gegenüber den kirchlichen Amtsträgern Einspruch gegen die Erstattung einer Strafanzeige erheben konnte. Die SBK hat nun eine Änderung der Richtlinien beschlossen, wonach das Opfer nicht mehr über ein „Vetorecht“ verfügen soll; kirchliche Amtsträger sollen künftig in jedem Fall Anzeige an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden erstatten, wenn sie Kenntnis von einem Offizialdelikt erhalten. Die bisherige Regelung war aufgrund von Empfehlungen von Opfertherapeutinnen und -therapeuten entstanden, welche ein „Vetorecht“ für die Opfer gefordert hatten. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass wenn keine Anzeigepflicht existiert, die Vertuschungsgefahr bestehen bleibt sowie die Gefährdung von potentiellen künftigen Opfern.

Mit dieser Anzeigepflicht will die SBK die klare Position der katholischen Kirche in der Schweiz verdeutlichen und hofft, dass diese Massnahme die Opfer nicht an einer Meldung hindern wird. Ungeändert bleibt nach wie vor die Anzeigepflicht bei Verdacht im pädosexuellen Bereich.

Bevor die Änderung in Kraft treten kann, muss sich auch die Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz – als zweite Trägerin der Richtlinien – mit ihr einverstanden erklären.

Aufstockung des Genugtuungsfonds

Ende 2016 hat die SBK die „Kommission Genugtuung für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld“ ins Leben gerufen. Gleichzeitig wurde ein Genugtuungsfonds in der Höhe von rund Fr. 500’000 geäufnet, um den Opfern von verjährten Übergriffen Genugtuungsbeiträge ausbezahlen zu können. Der Genugtuungsfonds wird von der SBK, der Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz (VOS’USM) und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) finanziert. Bereits Ende 2017 beschloss die SBK eine weitere Aufstockung von Fr. 300’000. Gemäss Hochrechnung wird der Genugtuungsfonds per Ende 2018 aufgebraucht sein. Deshalb hat sich die SBK in St. Gallen für eine zweite Realimentierung des Fonds um weitere Fr. 300‘000 ausgesprochen.

Wahl des Präsidiums SBK (2019-2022)

Die Mitglieder der SBK haben für die nächste Amtsdauer ihr neues Präsidium gewählt:

–      Mgr. Felix Gmür (Bischof von Basel), Präsident

–      Mgr. Markus Büchel (Bischof von St. Gallen), Vizepräsident

–      Mgr. Alain de Raemy (Weihbischof von Lausanne-Genf-Freiburg), Mitglied des Präsidiums

Die neue Zusammensetzung des Präsidiums wird sich auf die Zuständigkeitsbereiche wie folgt auswirken (ab 1. Januar 2019):

–      Präsident des Departements 3 (Gesellschaft, Diakonie und Öffentlichkeit): Bischof Charles Morerod (bisher Bischof Felix Gmür)

–      Hauptverantwortlicher des Dikasteriums 10 (Diakonie und Hilfswerk): Bischof Charles Morerod (bisher Bischof Felix Gmür)

–      Hauptverantwortlicher für die Kommission Justitia et Pax: Bischof Charles Morerod (bisher Bischof Felix Gmür)

–      Hauptverantwortlicher für das Fachgremium «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld»: Bischof Charles Morerod (bisher Bischof Felix Gmür)

–      Bischof Felix Gmür bleibt weiterhin Präsident der Stiftung Fastenopfer.

Waffenexporte in Bürgerkriegsländer

An der Medienkonferenz, welche im Anschluss an die ordentliche Vollversammlung stattgefunden hat, hat Bischof Charles Morerod die geplante Lockerung der Waffenexporte in Bürgerkriegsländer vehement kritisiert. Mit einem gemeinsamen Brief haben Bischof Charles Morerod, Pfr. Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, sowie Bischof Harald Rein, Bischof der Christkatholischen Kirche Schweiz, bei drei Mitgliedern des Bundesrates gegen die beabsichtigte Lockerung der Waffenexporte in Bürgerkriegsländer interveniert. Das Thema bewegt viele Christinnen und Christen. Was soll der Beitrag der Schweiz in der Welt sein – mehr Friedensarbeit oder mehr Waffen?

Begegnung mit dem Nuntius

Zum traditionellen Besuch des Apostolischen Nuntius in der Schweiz hat die SBK Erzbischof Thomas Edward Gullickson sowie Nuntiaturrat Mgr. Chibuike Onyeaghala empfangen, der letztmals die SBK besucht hat und sich einer neuen beruflichen Herausforderung stellen wird. Die Mitglieder der SBK bedanken sich bei Mgr. Chibuike Onyeaghala für seine Dienste und wünschen ihm weiterhin Gottes Segen.

Ausserordentlicher Missionsmonat Oktober 2019

Papst Franziskus hat die Weltkirche dazu eingeladen, im Oktober 2019 einen Ausserordentlichen Missionsmonat zu feiern. Im Mittelpunkt dieser Initiative stehen das Gebet, das Zeugnis und die Reflexion über die zentrale Bedeutung der missio ad gentes. Der Papst nennt vier Dimensionen, die der Vorbereitung und der Durchführung des Ausserordentlichen Missionsmonats im Oktober 2019 zugrunde liegen sollen: die persönliche Begegnung mit Jesus Christus, das Zeugnis, die Bildungsarbeit sowie das karitative Wirken. Die SBK hatte anlässlich der 319. ordentlichen Vollversammlung vom 5.–7. März 2018 beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Ausserordentlichen Missionsmonats unter der Leitung von Bischof Jean-Marie Lovey zusammenzustellen. Um die Absicht von Papst Franziskus möglichst gut in die eigenen Überlegungen integrieren zu können, hat die Arbeitsgruppe Prof. Dr. François-Xavier Amherdt gebeten, ein Grundlagenpapier zum Missionsverständnis von Papst Franziskus vorzubereiten.

Die SBK hat auf Vorschlag der Arbeitsgruppe folgende Ziele für die Schweiz verabschiedet:

–      Die Mission ist als (integraler) Teil der Identität der Welt- wie auch der Ortskirche neu entdeckt;

–      Mission ist ein positiver Begriff der Kirche;

–      Mission wird in einer gemeinsamen Aktion konkret und erfahrbar;

–      «Missio ad intra» und «missio ad gentes» stehen in einer Beziehung, die bereichert und inspiriert, jedoch nicht ausschliesst;

–      Der Akzent liegt auf einer missionarischen Pastoral, die von unserer Sendung als Getaufte ausgeht.

Um die nächsten Schritte vorzubereiten, soll eine Plattform entwickelt werden, die einen Rahmen für dezentrale Events bildet, diese anregt, fördert und medial sichtbar macht.

Treffen mit dem Untersekretär der Sektion «Migranten und Flüchtlinge» im Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen

Die SBK hat am 4. September P. Fabio Baggio C.S., Untersekretär der Sektion «Migranten und Flüchtlinge» im Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen empfangen. Dieser hat ausgehend von den 20 pastoralen Handlungsschwerpunkten von Migrants & Refugees und anhand von konkreten Beispielen von der Aufbauarbeit der Sektion Migranten und Flüchtlinge berichtet. Die Sektion steht unter der direkten Leitung von Papst Franziskus und ermutigt alle Bischofskonferenzen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um eine wirksamere Solidarität mit Migranten zu Flüchtlingen zu fördern.

Jugendsynode

Die SBK wird an der Jugendsynode im Oktober 2018 in Rom von Weihbischof Alain de Raemy vertreten sein. Die Wahl des Delegierten der SBK fand an der 319. ordentlichen Vollversammlung vom 5.–7. März 2018 statt. Die Wahl wurde mittlerweile durch Papst Franziskus, via Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Bischofssynode, bestätigt.

Ernennungen

Die SBK hat folgende Mitglieder ernannt:

Kommission für Bioethik

Prof. tit. Dr. phil. Bernard N. Schumacher, Interdisziplinäres Institut für Ethik und Menschenrechte, Universität Freiburg i.Ü.

Kommission für den Dialog mit den Muslimen

Abouna Milad Zein, Priester der maronitischen Gemeinschaft

Eucharistiefeier in der Kathedrale St. Gallen

Zum Abschluss der ordentlichen Vollversammlung luden die Mitglieder der SBK die Gläubigen am 5. September um 09.00 Uhr zu einer Eucharistiefeier in der Kathedrale ein. Der Feier stand Bischof Markus Büchel vor. Sie wurde live von Radio Maria übertragen.

Freiburg, 6. September 2018

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321 ao St-Gall